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Navasard - Happy new year! Wir schreiben das Jahr 4516

Ja, unsere grauen Gehirnzellen sind noch auf Kurs und unser mathematisches Geschick in der Zeitrechnung ist intakt. Doch wir schreiben tatsächlich das Jahr 4516 - nach armenischer Zeitrechnung versteht sich. Gebührend feiern konnten wir dies im Gegham Gebirge auf 2900 Meter über dem Meeresspiegel.

HAPPY NEW YEAR!!!

Navasard - das neue Jahr beginnt

Navasard bezeichnet das erste Monat des armenischen Kalenders. Dieses startet am 11. August. Auch wenn in Armenien mittlerweile Silvester am 31.12. gefeiert wird und die Zeitrechnung das Jahr 2023 schreibt, so gedenkt man doch den alten Traditionen und rechnet auch in der alten Zeitrechnung weiter.


Und wie könnte man das besser machen, als in der freien Natur, nahe dem navasardischen Gott, der als Beschützer der Ernte gilt? Jährlich Mitte August lädt daher ein Freund unseres Kollegen Vahan zu einer Wanderung im Gegham Gebirge ein, das etwa 30 Minuten östlich der Hauptstadt Yerevan liegt.

Mit Geländewagen, Campingausrüstung und ausreichend Verpflegung treten wir die 5-stündige Reise ins Gegham Gebirge an und sind gespannt auf unsere erste Zeltübernachtung.


Abenteuer Anreise ins Gegham Gebirge

Die Anreise bedeutet für uns Abfahrt um 6.30 Uhr. Nachdem wir Yerevan erreichen und weitere Teilnehmer:innen unserer 60-köpfigen Abenteurergruppe treffen, geht es weiter Richtung Gebirge. Die Offroad Fahrt von gerade einmal 24 km benötigt aufgrund der anspruchsvollen Fahrverhältnisse 1 Stunde 40 Minuten. Gut massiert und durchgeschüttelt steigen wir am vereinbarten Lageplatz aus dem Auto und genießen die Höhenluft am Fuße des sogenannten "Drachenberges" auf 2900 Metern.

Den Namen erhielt der Berg, weil es aussieht als hätte ein Drache mit seinen Krallen den Berg in die heutige Form gebracht. Ein treffender Name wie wir feststellen. Vielleicht sollten wir uns ruhig verhalten, um den Drachen nicht zu wecken?!


Wir schlagen unsere Zelte auf

Nach der langen Anreise haben wir uns ein Mittagessen verdient. In dieser Höhe schmeckt die Bergsteiger-Jause gleich doppelt gut - auch ohne bisher einen Meter gegangen zu sein.

Das unsere Stärkung lebensrettend in Bezug auf die folgende Begrüßung sein wird, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. In der nächsten Stunde erreichen immer mehr Wanderlustige den vereinbarten Campingplatz und packen Essen und Getränke aus.

Mit Getränk ist hier allerdings Vodka der wichtigste Bestandteil, mit dem wir als Österreicher herzlich in der illustren Runde begrüßt werden. Gut, dass wir ordentlich gegessen haben!

Der Aufbau unserer Übernachtungsmöglichkeit läuft nach der wässrigen Begrüßung wie geschmiert und die Fertigstellung der Konstruktion erfolgt gerade rechtzeitig. Kaum ist die Zeltstadt aufgebaut, ereilt uns ein kurzer Regenschauer. Auch diesen spülen wir mit Vodka hinunter und schon blinzelt die Sonne wieder hervor. Typisch armenisch eben!

Besuch erhalten wir auch von einer Kuhherde, die von Hirten in der Nähe gehalten wird. Neugierig begutachten sie unser Zelt-Kunstwerk. Als der Hirte dann noch auf seinem Pferd und ohne Sattel angeprescht kommt, mit dem Fohlen hinterher, fühle ich mich kurzzeitig doch mehr wie in einem Winnetou-Film.


Kontaktaufnahme mit der Zivilisation

Als die Sonne erneut ihre Strahlkraft zeigt, beschließen wir gemeinsam mit Vahan und seiner Frau Lilit eine erste Wanderung zu unternehmen und den Drachenberg zu bezwingen. Auf halbem Weg bringen wir in Erfahrung, dass am Gipfel die einzige Stelle weit und breit mit Smartphone-Signal ist.


Während man früher Telefonzellen gesucht hat, steigt man heute eifrig auf Berge. Deshalb entsteht ein kleiner Pilgerpfad zum Gipfel. Denn auch andere Wanderer nehmen den steilen Aufstieg in Kauf um Kontakt mit Familie und Freunden aufzunehmen. Am Gipfel wird fleißig telefoniert, bevor es wieder in die Einöde geht. Wenn das mal kein Ziel für eine gelungene Wanderung ist!

Am Gipfel erwartet uns ein herrlicher Blick in die Ferne und wir erspähen unser Lager.


Das armenische Survival-Kit

Auf Wasser, Strom und WLAN können Armenier gut verzichten. Doch es gibt eine Sache, die im Survival-Kit eines waschechten Armeniers nicht fehlen darf: ein anständiges Chorowaz. Also bereiten die Männer am späteren Nachmittag wieder mal ausgezeichnetes BBQ zu. Doch diesmal bekomme ich es mit der Angst zu tun. Vahan legt 4 große Fleischspieße ins Feuer - für jeden von uns vier einen eigenen Spieß.

Nachdem ich mich erkundige, ob ich Beilagen und Gemüse vorbereiten soll erhalte ich die klare Antwort: "Nein, die Beilagen brauchen wir später für das Chorowaz." Neugierig erkundige ich mich, ob denn das hier nicht schon das Chorowaz wäre. Die verblüffende Rückmeldung: "Nein, das ist nur ein kleines BBQ, ein Appetizer. Richtig gegrillt wird erst am Abend." ;-)


Zu Gast bei einer armenischen Hirtenfamilie

Um diese kulinarische Challenge auch wirklich zu schaffen, beschließen wir nach der reichlichen "Vorspeise" noch eine Runde zu gehen und den Sonnenuntergang zu genießen.

Auf 2900 Meter Höhe sind wir nicht ganz alleine. Viele Farmer schlagen im Sommer ihre Zelte hier auf und treiben ihre Kuh- und Schafherden durch das saftige Gras. Mit Sack und Pack einfach weg von der Zivilisation, ohne fließendes Wasser und Strom - das kennen wir nur noch aus Dokumentarfilmen. Am Abend treiben die Hirten die Schafe von den Bergen zurück in ihr Gehege. Begleitet werden sie von ihren Hunden. Als wir den Schafen zu Nahe kommen, werden wir von fünf Hunden sofort auf unser Fehlverhalten hingewiesen.

Der Farmer eilt uns zu Hilfe und lädt uns auch gleich in sein Zelt ein. Eine Erfahrung die ich nicht missen möchte. Während Vahan und Lilit mit dem Ehepaar und deren Söhnen auf armenisch plaudern, haben Franz und ich Zeit alles zu begutachten. Die Größe des Zeltes ähnelt eher einem Appartment. Doch gelebt wird hier sehr einfach. Es gibt einen kleinen Stromgenerator, eine Feuerstelle, vier Betten einen Tisch und zwei wackelige Bänke. Die Hausherrin tischt ordentlich auf und stellt uns selbst gemachten Pfirsichsaft und Schafkäse auf den Tisch der wunderbar schmeckt. Unter unserm Tisch zischt das eine oder andere Huhn durch und einer der Söhne zeigt uns Fotos seines Kriegseinsatzes in Berg-Karabach. Der Besuch hinterlässt einen tiefen Eindruck bei uns.

Als wir weiterziehen ist es bereits finster. Zurück im Lager begießen wir noch das neue Jahr und bestaunen den gut sichtbaren Sternenhimmel, bei mittlerweile nur mehr 5 Grad. Um Mitternacht geht es ab ins Zelt, denn es ist Nachtruhe angesagt.


Sonnenaufgang auf 2900 Meter

Die Nacht ist eher unruhig, da es wirklich kalt ist und unsere Ausrüstung nicht ganz optimal. Doch ein beeindruckender Sonnenaufgang lässt das alles vergessen. Die herrlich frische Luft, die Idylle und erste Schafherden die bereits wieder auf den nächsten Berg getrieben werden. Langsam erwacht das gesamte Camp und jeder versucht seine Zehen und Finger am Feuer zu wärmen. Nachdem wir es geschafft haben mit fast allen 60 Teilnehmer:innen ein Gruppenfoto zu organisieren, gibt es Kaffee der die Lebensgeister weckt.

Jetzt geht es für einen Teil der Gruppe auf den Mount Azhdahak, der auf 3597 Metern liegt. Der inaktive Vulkan birgt einen See im Krater. Hektisch suchen unsere Wanderer im Lager Brot, Butter und Honig. Das ist nämlich die armenische Bergsteigerjause, die am Gipfel verzehrt wird. Leider können wir an dieser 7-stündigen Wanderung nicht mehr teilnehmen, da die Rückreise nach Gyumri zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Schade eigentlich.

Wir treten also den holprigen Retourweg an und suchen die Hirtenfamilie nochmal auf, um Käse für zu Hause einzukaufen. Mit diesem Proviant geht es zurück nach Gyumri. Und vielleicht sind wir im nächsten Jahr doch wieder dabei und genießen Brot, Butter und Honig als Gipfelstürmer! ;-)

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